1.2.2.
1.2.2.1. Erster Gesang
Es war in unseres Lebensweges
Mitte,
Als ich mich fand in einem
dunklen Walde;
Denn abgeirrt war ich vom rechten
Wege.
Wohl fällt mir schwer, zu
schildern diesen Wald,
Der wildverwachsen war und voller
Grauen
Und in Erinnrung schon die Furcht
erneut:
So schwer, daß Tod zu leiden
wenig schlimmer.
Doch um das Heil, das ich dort
fand, zu künden,
Will, was ich sonst gesehen, ich
berichten. –
Wie ich hineingelangt, kann ich
nicht sagen,
So schlafbenommen war ich um die
Zeit,
Als ich zuerst den wahren Weg
verlassen.
Doch, als ich eines Hügels Fuß
erreichte,
An welchem jenes Tal zu Ende
ging,
Das mir das Herz mit solcher
Furcht befangen,
Blickt' ich empor, und sah des
Hügels Schultern
Bekleidet schon mit des Planeten
Strahlen,
Der uns den rechten Pfad zeigt
allerwege.
Beruhigt wurde da die Furcht ein
wenig,
Die in des Herzens See mir
angedauert
Die Nacht durch, die so
angstvoll ich verbrachte.
Wie einer, der mit ganz
erschöpftem Atem,
Dem Meer entronnen, das Gestad'
erreicht,
Auf die verräterische Flut
zurückblickt,
So wandte sich mein Geist, noch
immer fliehend,
Zurück, um zu beschaun die
dunkle Talschlucht,
Die keinen, der drin weilt,
lebendig ließ. –
Als etwas ich den müden Leib
gerastet,
Setzt' ich den Weg am wüsten
Abhang fort,
So daß der ruh'nde stets der
untre Fuß war.
Doch, siehe, fast bei dem Beginn
des Anstieg's,
Ein Panthertier, leichtfüßig und
behende,
Das überdeckt war mit gestecktem
Haare.
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Vor meinen Augen wich das Untier
nimmer
Und störte mich so sehr in
meinem Wege,
Daß mehrmals schon zur Umkehr
ich mich wandte.
Es war die Zeit der ersten
Morgenfrühe;
Die Sonne stieg empor mit jenen
Sternen,
Die sie begleiteten, als Gottes
Liebe
Zuerst bewegte diese schönen
Dinge,
So daß kein Unheil mich
befürchten ließ
Von jenem Tier mit
buntgeflecktem Felle
Die Stunde, wie die schöne
Jahreszeit.
Doch war darum der Schrecken
nicht geringer,
Der mich ergriff beim Anblick
eines Löwen,
(Erhabnen Hauptes und mit
grimmem Hunger
Kam dieser dräuend auf mich
zugeschritten,
So daß die Luft vor ihm zu
fürchten schien)
Und einer Wölfin, die von jeder
Gier
Besessen schien in ihrer
Magerkeit,
Und über viele schon Verderben
brachte.
Sie gab mir durch die Furcht,
die von ihr ausging,
So großes Ungemach, daß ich die
Höhe
Des Berges zu erreichen nicht
mehr hoffte.
Und wie der Mann, der gern
Reichtümer sammelt,
Wenn eine Zeit kommt, die
Verlust ihm bringet,
In seinem Herzen sich betrübt
und wehklagt,
So ward mir ob des friedelosen
Tieres,
Das wie es auf mich zukam, ganz
allmählich
Mich dahin drängte, wo die Sonne
schweiget.
Und während ich zur Tiefe
niederstürzte
Erschien mir plötzlich eines
Mann's Gestalt,
Der heiser mir, vor langem
Schweigen, däuchte.
Als in der großen Wüst' ich den
erblickte,
Rief flehend ich ihn an: Erbarm
dich meiner,
Sei'st du ein Lebender, sei'st
du ein Schatten. –
Kein Lebender, wohl war ich
einst ein solcher.
Lombarden waren meine Eltern
beide
Und ihre Vaterstadt war
Mantova.
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Geboren unter Julius, wenn auch
spät,
Lebt' ich in Rom zur Zeit
August's des guten,
Als man die falschen Lügengötter
ehrte.
Ein Dichter war ich, sang von
des Anchises
Gerechtem Sohne, der von Troja
kam,
Als Ilion war verbrannt, die
stolze Veste.
Doch du, weshalb zu so viel
Plage kehrst du?
Weshalb ersteigt du nicht den
schönen Berg,
Der Anfang ist und Ursach aller
Freude? –
So bist du der Virgil und jene
Quelle,
Der so gewalt'ger Redestrom
enfließet?
Entgegnet ich mit schamgefärbter
Stirne.
O Licht und Ehre du der andren
Dichter,
Mein Eifer, meine Liebe für dein
Buch,
Die ich bewährt, sei'n mir bei
dir Empfehlung.
Du bist mein Meister, du mein
hohes Vorbild,
Und nur von dir hab' ich die
schöne Schreibart
Entnommen, die zur Ehre mir
gereichte.
Sieh jenes Tier, das mich zur
Umkehr trieb.
Errette mich vor ihm, gepriesner
Weiser,
Denn Puls' und Adern macht es
mir erbeben. –
Willst du entgehen diesem argen
Orte,
Erwidert' er, als er mich weinen
sah,
So mußt zu and'rer Reise du dich
wenden,
Denn jenes Tier, das deiner
Klagen Anlaß,
Gestattet niemand, diesen Weg zu
ziehen.
Es hindert jeden, bis es ihn
getötet.
So bös geartet ist es, so
verworfen,
Daß seine schnöde Gier es
nimmer sättigt
Und nach dem Fraß mehr Hunger
als zuvor hat.
Viel Tiere sind, mit denen es
sich gattet,
Und mehr noch werden sein, bis
daß der Rüde
Erscheinen wird, der unter Qual
es tötet.
Nicht Land, nicht Silberblech
sind seine Speise,
Wohl aber Weisheit,
Christenlieb' und Tugend.
Daheim ist zwischen Feltro er
und Feltro.
[Page 13]
Italien wird er retten, das
gebeugte,
Für das Camilla einst, die
Jungfrau, starb,
Eurialus, Turnus, Nisus sich
verblutet.
Von Stadt zu Stadt wird er die
Wölfin jagen,
Bis er zurückgetrieben sie zur
Hölle,
Von wo der erste Neid sie
losgelassen.
Weshalb zu deinem Heil ich
denk' und ordne,
Daß du mir folgst; ich will
dein Führer sein.
Geleiten werd' ich dich durch
ew'ge Räume,
Wo der Verzweiflung Schrei du
wirst vernehmen
Von jenen alten
schmerzgebrochnen Geistern,
Die alle nach dem zweiten Tod
begehren.
Dann wirst du jene sehn, die in
den Flammen
Zufrieden sind, weil sie, wie
spät auch immer,
Zu den Erwählten zu gelangen
hoffen.
Willst auch zu diesen du empor
dann steigen,
Wird eine Seele, würdiger als
ich bin,
Dahin dich führen, wenn ich von
dir scheide.
Denn, der dort oben herrscht,
des Weltall's Kaiser,
Will, weil ich unbefolgt ließ
sein Gesetz,
Nicht, daß durch mich in seine
Stadt man komme.
Im Weltenall gebeut, doch dort
regiert er,
Dort ist die Stadt und dort
sein hoher Thron.
Gesegnet ist, wen dort er
auserkoren. –
Und ich zu ihm: O Dichter, ich
beschwöre
Bei jenem Gotte dich, den du
nicht kanntest,
Damit ich dies und größ'res
Unheil fliehe,
Daß du mich dorthin führest, wo
du sagtest,
So daß des heil'gen Petrus Tür
ich sehe,
Und jene, die du schilderst als
so traurig. –
Dann ging er, und ich folgte
seinen Schritten.